Weihnachtsmärchen

Draußen regnet es und ist gar nicht richtig kalt.
Einfach nur ungemütlich.
Hier und da blinken ein paar bunte Lichter hektisch gegen den grauen Tag an,
aber fast alle Menschen laufen mit gesenkten Köpfen vorbei.
So wird das nichts mit der Weihnachtsstimmung.
Ich gehe einkaufen, Butter, Zucker, Mehl, Zimt und Eier,
eine kleine Kerze und Kinderpunsch.
Vor unserem Hochhaus bleibe ich stehen und sehe,
das Frau Schmidt wieder allein am Fenster sitzt,
auch Wiebke, die über mir wohnt, schaut sich den trüben Tag an.
Ich starte meinen Angriff.
Schleppe den Einkaufskorb nach oben in meine kleine Wohnung
und mache Keksteig.
Kippe den heissen Kinderpunsch in eine Thermoskanne
und packe Teig, Kerze und Punsch wieder in meinen Korb.
So bewaffnet klingele ich bei Wiebke.
Sie öffnet und ich sehe, das sie geweint hat, ihre Augen sind ganz rot.
Ach du meine Güte und hochschwanger ist sie auch,
dabei ist ihr Freund doch schon vor Monaten ausgezogen.
Ich nehme meinen Mut zusammen, und lade sie zum Kekse backen ein.
Zuerst will sie nicht, aber als ich sage, das ich vorhabe, bei Frau Schmidt zu backen,
die ja meistens allein unten sitzt, kommt sie doch mit.
Sie hat den Kinderpunsch in meinem Korb gesehen
und holt noch ein paar Weihnachtstassen, jetzt lächelt sie auch wieder.
Wir klingeln bei Frau Schmidt, auch ihre Augen sind rotgeweint,
was ist denn heute los?
Sie lässt uns rein und erzählt, das sie auf ihren Sohn Tom wartet,
dabei fängt sie wieder an zu weinen.
Wiebke stellt ihre Tassen auf den Wohnzimmertisch, macht die Kerze an,
und giesst Punsch ein.
Sie nickt mir zu, ich gehe in die Küche und fange an zu backen,
einmal linse ich um die Ecke und sehe,
das die beiden sich an der Hand halten und Wiebke zuhört.
Die ersten Kekse sind fertig und es riecht wunderbar, ich summe ein Weihnachtslied,
da geht die Klingel.
Es ist Tom, der Sohn von Frau Schmidt und nein, es wundert mich nicht,
auch seine Augen sind rot geweint.
Wiebke und ich stehen gerade in der Küche, er hat uns noch nicht gesehen.
Seine Mutter umarmt ihn und er erzählt ihr, das seine Freundin ihn tatsächlich verlassen hat,
als der Arzt ihm heute die Unfruchtbarkeit nach einer Sportverletzung bestätigte.
Ist nicht mal mehr mit nach Hause gekommen, ihre Sachen holt sie später.
Wiebke und ich sehen uns an, ihr kommen die Tränen,
ich sehe, wie jetzt alle drei weinen.
Bevor ich auch kapituliere, starte ich noch einen letzten Angriff,
um Weihnachten zu retten.
Ich räuspere mich lautstark, Frau Schmidt bekommt einen Schreck,
sie hat uns ganz vergessen.
Wir stellen uns vor, und während ich ein Blech Kekse rette, setzen sich die drei
an den Tisch mit der Kerze und fangen wieder an zu erzählen.
Trinken Kinderpunsch, essen Kekse und ich staune.
Es ist, als würden sie sich schon ewig kennen.
Ich räume die Küche auf und packe die letzten Kekse in eine Dose,
da kommen plötzlich alle zusammen in die Küche umarmen mich und strahlen.
Jetzt kommen mir die Tränen, damit habe ich nicht gerechnet.
Was für ein Weihnachtswunder, denke ich später allein in meiner Wohnung,
Gott sei Dank dafür.
Meine nur langsam wieder nachwachsenden Flügel fangen an zu jucken.
Es hat aufgehört zu regnen.
Ich packe eine Dose mit Keksen ein und mache mich wieder auf den Weg.
von Ariane Timm (Anabelle Fury)

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