Gedichte

nach Rilke

ich lebe mein Leben mit wachsenden Pfunden
die sich über den Körper ziehn
ich werde die letzten vielleicht nicht verlieren
aber bekämpfen will ich sie

es kreist mein Gewicht,
stets von unten nach oben
Jahrzehnte schon schwankt meine Masse
und ich frage dich, wird man schlank mich einst loben?
zahlt Hautfalten OPs denn die Kasse?

von Ariane Timm

Gedichte

loslassen

über 50 Jahre waren uns geschenkt
die guten und schlechten Zeiten
haben uns zusammen geschweißt
bis zuletzt
und jetzt
ohne dich hier
ist meine Sehnsucht nach dir
größer als meine Kraft zu kämpfen
ihr wollt so viel und ich bin müde
wir haben doch alles gehabt
ein Leben voll mit schönen Erinnerungen
die letzten waren nicht gut
ich konnte dich nicht loslassen
von meiner Seite gerissen
heilt die Wunde nicht
aber ich bin mir sicher
wenn wir uns wiedersehen
wird alles gut sein
sie denken, ich will nicht mehr
doch
ich will zu dir

von Ariane Timm

Gedichte

Jo Moin

jo Moin du armer Schüler
gleich geht der Wecker an
kommst du nicht schnell genug ums Eck
dann guckst du dumm, der Bus ist weg

jo Moin du arme Socke
gleich geht der Wecker an
im Bett schnarcht deine Mudder laut
sie hat dein Pausenbrot geklaut
und Zigaretten mussten her
im Kühlschrank ist kein Essen mehr

jo Moin du armer Chiller
gleich geht der Wecker an
vor Hunger knurrt dein leerer Bauch
null Hausaufgaben hast du auch
das kümmert doch kein Schwein bei dir
wer will denn schon zur Schule hier

jo Moin du kleiner Träumer
du hast ja gar kein Wecker
die Mama weckt dich immer, toll
und labert dir die Ohren voll
putz die Zähne, iss dein Brot
lüften macht die Wangen rot
zieh saubere Klamotten an
Alter, wie die nerven kann

doch überleg dir mal, du Checker
wärst du gern der da mit dem Wecker?

von Ariane Timm

Gedichte

Radtour ohne Happy End

du fährst dein Rad mit frohen Sinnen
da hörst du Luft aus Reifen rinnen
und hältst schnell an

die Luftpumpe liegt schlau zu Hause
das gibt deinen Gedanken Pause
was machst du jetzt?

das Handy in der Tasche spricht
Empfang hab ich hier leider nicht
du stehst im Wald

rundherum die Vögel kichern
wollen dir damit versichern
das war’s dann wohl

bist schiebend durch den Wald gekrochen
der Wolf hat deine Spur gerochen
und frass dich auf

vertilgte dich mit Haut und Haar
das platte Fahrrad liess er da
der Förster fand’s

vom Himmel aus kannst du nun sehn
gut lassen sich’s die Erben gehn
das kommt davon

und die Moral von der Geschicht
vergiss beim Rad die Pumpe nicht
fahr, wo das Handy klingeln kann
dein Leben dauert länger dann

von Ariane Timm

Gedichte

corona

die Welt, wie wir sie kannten
wirkt plötzlich öd und leer
auf Spielplätzen, in Schulen
sind keine Kinder mehr

die Alten in den Heimen
darf niemand jetzt besuchen
aus Angst vor diesem Virus
das alle laut verfluchen

im Schwimmbad still das Wasser
der Sport ist uns verwehrt
Versammlungen verboten
Geschäfte zugesperrt

die ganze Welt betroffen
egal wo man auch wohnt
der stille Feind, er wandert
und kein Land bleibt verschont

die Bänder der Fabriken
sind lange abgeschaltet
in leeren Kirchenbänken
kein Mensch mehr Hände faltet

so viele sind gestorben
es werden täglich mehr
da fragt man sich im Stillen
wo kommt uns Hoffnung her?

getrennt zusammen halten
hat es noch nie gegeben
und doch ist das für alle
der Weg zum Überleben

von Ariane Timm

Gedichte

Kaffee

ein Leben lang nicht eine Tasse
ganz anders als der Menschen Masse

wenn morgens früh die Vögel singen
muss Mann den Schlaf im Kampf bezwingen

lässt Kaffee in den Körper rinnen
und wird so langsam wach von Innen

wie schaffst du das
fragt mich mein Mann
der ohne Kaffee springt nicht an

ich öffne kaum die Augenlider
da galoppiert der Tag mal wieder
schwing mich vom Bett ins pralle Leben
reib aus den Augen Sand nur eben
mit 180 früh bis spät
mein Mann genervt die Augen dreht

hab einmal schwarzen Tee versucht
und schon beim dritten Schluck geflucht
Schweiß fühlt ich von der Stirne tropfen
mein Herz wollt aus dem Körper klopfen
mit wummernd klatschendem Applaus
mein Hirn, es dachte…ich bin raus

als es mir wieder besser ging
sprach ich
wenn Tee schon nicht dein Ding
halt Kaffee fern von deinem Hals
servieren darfst du allenfalls
so arbeite ich im Café
mach Cappuccino, Kännchen, Latte
und weiß nicht, wie die Dinger schmecken
weil ich sie nie zu trinken hatte

von Ariane Timm

Gedichte

der Weihnachtsbaum

Opa, hol den Tannenbaum
jawohl, er geht zum Wald
doch trinkt er einen Glühwein erst,
dann wird ihm nicht so kalt

Oma, komm und sieh dir an
solch schönen Baum
bringt dir dein Mann
und gönnt nen Glühwein sich am Tisch
ja, draussen ist es ziemlich frisch

Oma schimpft, der Ast steht ab,
auch ist der Baum recht krumm
Opa trinkt den Glühwein aus
und sägt den Ast gleich um

dann schenkt er sich noch einen ein
die Arbeit will belohnt ja sein
Oma schimpft ihn wieder aus
und Opa zieht den Baum ins Haus

dann setzt er noch mal Glühwein auf
was ist mit Oma los?
die hört man in der Stube laut
der Baum ist viel zu groß

mit reichlich Glühwein im Gehirn
ist Opa das egal
er holt die Säge und legt los
er sägt, der Baum wird klein
doch leider fehlt die Spitze nun
und Oma hört man schrein

sie greift den Baum
und schleppt ihn raus
den Opa packt das Grausen
die Oma sieht er mit der Axt
die Auffahrt runter sausen

dort steht ein Baum seit Jahr und Tag
er fällt bei Omas erstem Schlag
dann trägt sie ihn hinein
der Opa sagt mal lieber nichts
und macht sich auch ganz klein

der Baum ist schief und ziemlich krumm,
die Kritiker, sie bleiben stumm
vor Oma haben sie Respekt
( die Axt wird später gut versteckt)

von Ariane Timm

Gedichte

die Wasserrutsche

der Reifen schiesst ins flache Wasser
die Dame wird zum Reifenhasser
denn sie steckt fest

wie ein Käfer auf dem Rücken
liegt sie hilflos, zum Entzücken
der Menschen, die vorüber gehen
um sich die Rutsche an zu sehen

zwei Bademeister braucht es dann
sie packen rechts und links mit an
ziehn hoch mit Schwung
alles bleibt heil
der Reifen fällt vom Hinterteil

die Dame schreitet schnell von hinnen
zum Rutschen nicht mehr zu gewinnen

Mama, kommst du mit in die Reifenrutsche?
Nein
Warum denn nicht?
Weil ich am Ende bestimmt auch stecken bleibe
Och Mama, komm schon, nur ein Mal…
Wir nehmen auch den doppelten Reifen und rutschen zu zweit..

das Kind sitzt vorn, die Mutter hinten
man sieht sie in den Tunnel sprinten
schon sind sie unten angekommen
die Mutter schüttelt sich benommen

das Kind springt auf
die Alte nicht

auch sie steckt fest im Reifen
das Kind will Hilfe greifen
die Mutter hört man fluchen
sie will’s allein versuchen

im Reifen macht sie sich ganz klein
und wird gedrückt, ins Wasser rein
das ist nicht tief, doch überall
in Ohren, Hals und Nase
ihr Hinterteil am Boden schrammt
das gibt bestimmt ne Blase

der Reifen fällt auf Mutter’s Haupt
was gänzlich ihr den Atem raubt

sie röchelt, schnieft und prustet
das Kind vor Lachen hustet

die Beiden gehn die Treppe hoch
um es nochmal zu wagen
doch ob es diesmal besser lief
müsst ihr sie selber fragen

von Ariane Timm

Gedichte

Menopause

I used to be happy and lean
nowadays I feel flabby and mean

I’m sweaty and itchy
and often quite bitchy

without reason at all
I cringe and feel small

next I wail and complain
it drives me insane

must be hormones or not
and I see, that I’ve got
arms like wings wobbling around
and my breasts strive to the ground

oh, the perks of growing old
my face is hot, my feet are cold

my mood swings like my upper legs
I read this and think…yuck
menopause, you suck!

by Ariane Timm

Gedichte

im Garten

im Garten, im Garten
seh ich die Liebste warten
auf das den Rasen kürze ich
sonst meckert sie ganz fürchterlich
den Abend lang

im Garten, im Garten
seh ich die Liebste warten
die Büsche schneiden muss ich auch
sonst steigt aus ihrer Nase Rauch
und sie speit Feuer

ich wünsch mir, das ich Single wär
hätt keinen Garten, säß am Meer
im warmen Sand
allein am Strand

einmal werd ich die Koffer packen
heut nicht, da muss ich Holz noch hacken
im Garten, im Garten…

von Ariane Timm