Gedichte

die Küchenschublade

Pflaster und auch Taschentücher
Lesezeichen für zehn Bücher
Nägel, Schrauben und Magnete
noch ein alter Haufen Knete
Autoschlüssel als Ersatz
diese Schublade hat Platz
Gummiband, ein Berg von Stiften
alles scheint hierher zu driften
Pinsel gibt’s in jeder Größe
das Rezept für Oma’s Klöße
ganz verknüllt am linken Rand
Plastiktüten, Klebeband
Knöpfe, Stöpsel, eine Zange
wer hier sucht, der braucht oft lange
Batterien für alle Fälle
eine schiefe Suppenkelle
Tintenkiller und Lineal
dieses Chaos ist fatal
einst ein Engel ihm entschwebte
als die Schublade erbebte
wie es überall passiert
wenn ein Mensch flucht ungeniert
alles scheppert auf und nieder
verdammt, was klemmt denn hier schon wieder
reiß du so gänzlich ohne Gnade
schlüpft der Engel in die Lade
will dir helfen und macht Platz
nun mit einem Riesensatz
kommt die Schublade geflogen
weil mit zu viel Kraft gezogen
alles fliegt dir um die Ohren
nur der Engel ungeschoren
heimlich sich von dannen macht
ich glaub, er hat dich ausgelacht
ich glaub, du hast dann aufgeräumt
doch das
war leider nur geträumt

von Ariane Timm

Gedichte

Sommerferien

gestern noch kaum zu fassen
sechs lange Wochen
ausschlafen
fast völlig freie Zeit
Mama hat ja immer was

heute schon wieder vorbei
fassungsloser Blick auf den Wecker
6 Uhr
nicht schon wieder Schule
ich gebe eine Anzeige auf
bei der Polizei
vermisst werden
die Sommerferien
gestern noch da
heute
fast spurlos verschwunden
ein paar Erinnerungen
verblassen
beim Sprint zum Bus

stell dich nicht so an
sagt meine Mutter
sind ja bald Herbstferien
winkt mir nach
legt sich wieder hin
und zieht sich die Decke über den Kopf

Gedichte

Rosenkohl

es ist schon sehr spät in der Nacht
ich fühl mich um den Schlaf gebracht
vom Rosenkohl

ein Gedicht soll her
es fällt mir schwer
denn Rosenkohl
tut mir nicht wohl

wenn ich ihn nur sehe
jawohl ich gestehe
dann gruselt’s mich
ganz fürchterlich

Gott hat uns leckere Pflanzen gegeben
was man so braucht im täglichen Leben
und Rosenkohl

das merkte er wohl
er hat ihn geschmeckt
und sich sehr erschreckt
entwickelte dann vom Kakao eine Bohne
na, die war nicht ohne

hat das Leiden wieder gut gemacht
das der Rosenkohl auf die Teller gebracht

von Ariane Timm
für Melli und Kim

Gedichte

Geld

warum gibt es immer noch Krieg auf der Welt
weil Waffengeschäfte viel bringen
aus ihnen am Ende das Geld fleißig fließt
viel mehr als aus friedlichen Dingen

an Flüchtlingen kann man sich auch gut bereichern
ein weiteres Boot kappt die Leine
egal wo am Ende die Reise hingeht
der Schlepper zählt schön seine Scheine

und Klimawandel, die Gelddruckmaschine
wir spannen die Kinder mit ein
lasst sie demonstrieren, das können sie gut
eine Wahrheit, mehr muss es nicht sein

das Geld hat die Welt schon immer regiert
seit Jahrhunderten gilt diese Phase
die Menschlichkeit selber ist lange bankrott
und der Reichtum tanzt auf ihrer Nase

von Ariane Timm

Gedichte

der Brunnen

ich fiel in einen Brunnen
sitz seitdem unten drin
seh oben fern das Licht
dreh selten mich noch hin

wie sehr ich mich auch mühe
nach oben ist es weit
ich bleib im Dunkeln sitzen
langsam vergeht die Zeit

und manchmal fällt von oben
ein Seil zu mir herab
ich würd es ja gern greifen
doch rutsch ich immer ab

einmal war ich fast oben
und wurde gleich geblendet
so hab ich mich zurück
ins Dämmerlicht gewendet

vielleicht wär es auch gut
wenn ich hier unten bleibe
weil ich ja doch nur alle
zu Angst und Sorge treibe

gestern sprach ich zu Gott
wie soll es weiter gehn
er überlegte lang
ich werde bei dir stehn

dann schickte er mir Regen
mein Brunnen, der lief über
das Wasser schwappte mich
bis an den Rand und drüber

das Licht hat nicht geblendet
mit Gott an meiner Seite
seh ich ganz neu erstaunt
des Lebens helle Weite

von Ariane Timm

Gedichte

Jesus

staubiger Stall
klägliche Krippe
frierende Frau
mürrischer Mann
noch namenlose Nacht

schmerzvoller Schwung
leiser Schrei
staunen
Stille
Gottes Geschenk
lebendiges Licht
hütende Hirten
strahlender Stern
Engel Erklärung
göttlicher Gesang

wahrhaftiges Wunder
Jesus
durch dich
dein Leben
für uns

von Ariane Timm

Gedichte

Schokolade

wenn du gern Schokolade ißt, dann geht es dir wie mir
hast du sie erst gegessen, bleibt für immer sie bei dir
legt sich auf Bauch und Hüften und geht niemals wieder weg
denn aus Schokolade wird am Ende immer Speck

und wenn du sie im Dunkeln ißt, so gänzlich ohne Licht
dann hast du vielleicht Glück, die Kalorien finden dich nicht
die Schokolade macht nicht dick, das las ich in der Zeitung
ein Wissenschaftler weiß, es liegt am Wasser in der Leitung

und hast du einen Mann, der dir echt auf die Nerven geht
dann iß doch Schokolade, denn die fragt nicht und versteht
und meckert er dann weiter, kannst du diesen Trick beschwörn
iß Schokoladenkekse, denn beim Kaun kannst du nichts hörn

von Ariane Timm

Gedichte

Kinderkummer

ich bete, lieber Gott zu dir
weil, ich fühl nicht wohl mich hier
meine Eltern sind so peinlich
und vor allem echtmal kleinlich

geh zur Schule, sei ein Guter,
sitz nicht dauernd vorm Computer
hilf der Mutter, mäh den Rasen
lass deine Karnickel grasen

mach schön deine Hausaufgaben
manchmal möcht ich mich vergraben
einfach chillen, oder zocken
und nicht in der Schule hocken

die andern Kinder sind voll cool
und mich schubsen sie vom Stuhl
lachen mich im Bus noch aus
weil mein Handy liegt zu Haus
auch meine Haare liegen nicht
und zu hoch ist mein Gewicht

stundenlang vorm Spiegel stehen
kann ich da nichts schönes sehen
meine Mutter sagt, ich spinn
die sieht auch nicht richtig hin

da, der Pickel auf der Nase
ist so groß wie eine Blase
der kommt bestimmt vom früh aufstehn
und immer brav zur Schule gehn

lieber Gott, es kommt dazu
ob ich schwul bin, was meinst du?
die andern findens unnormal
und mir wär das ganz egal

ich glaub, du hast uns so gemacht
wie es Freude dir gebracht
das hat doch Jesus schon gesagt
ich hab grad noch mal nachgefragt
danke für dein offnes Ohr
mein Kummer kommt mir kleiner vor

Von Ariane Timm

Gedichte

der Brotbackautomat

ein Automat, der Brote selbst backt
kam heut mit der Post, sehr schön verpackt

die Betriebsanleitung auf serbokroatisch
direkt in den Müll, da bin ich pragmatisch

verschiedene Mehle, Körner und Butter
mein Mann vermutete Hühnerfutter
warf ich dann hinein
und schaltete ein

nach einer Stunde kein Brot zu genießen
vergessen, den Stecker anzuschließen

mein Mann macht sich Toastbrot, ich warte noch ab
tatsächlich, der Kasten kommt langsam auf Trab
er fängt an zu qualmen, der Tisch leicht vibriert
mein Mann sieht mich an und sein Grinsen gefriert

die Küche, sie räuchert in voller Breite
mein Mann schnappt den Müll und sucht schnell das Weite
was hat nur die Kiste, ich würd sie gern fragen
dann beug ich mich vor und höre sie sagen
Hefe, Hefe…

ein schönes Brikett, das hab ich gebacken
um es in ein Loch auf der Strasse zu packen

beim nächsten Versuch bin ich schon viel schlauer
nochmal ohne Hefe, der Teig ist jetzt sauer
ich seh meinen Mann mit der Geldbörse laufen
wahrscheinlich um noch mehr Toastbrot zu kaufen

auch dieser Versuch geht leider daneben
das Brot bleibt in der Maschine nur kleben
so sehr ich auch kratze, es geht nicht mehr raus
und mir gehen langsam die Nerven aus
ganz zu schweigen vom Brot

mein Mann kaut den Toast und schweigt vor sich hin
sein Blick schweift zum Müll, das macht leider Sinn
das neue Gerät, entsorgt still und leise
und ich durfte lernen, auf hungrige Weise

Maschinen sind sicher nützliche Wesen
kannst du die Betriebsanleitung nur lesen

von Ariane Timm

Gedichte

Häh?

Häh?

wir haben seit Kurzem ein Unwesen im Haus
das Häh? geht fröhlich bei uns ein und aus

stellst du eine Frage,
so springt es dich an
Häh? was hast du gesagt?
mal schleicht es sich ran
Häh? das stimmt gar nicht
es steht seinen Mann
Häh? warum denn?
es frisst zwar kein Brot
doch bringt’s mich in Not
denn in jedes Gespräch
da mischt es sich ein
Häh? das kann doch schon wieder nicht sein
es rutscht mir selber sogar manchmal raus
Häh? wie vertreib ich es nur aus dem Haus?
ich habe mal auf die Vernunft gesetzt
und ein „wie bitte“ auf seinen Hals gehetzt
der natürliche Feind, er erkämpft sich die Orte
bis das Häh? sich verkrümelt aus dem Schatz deiner Worte

von Ariane Timm